Adaptive Hüllen und Strukturen
Der Sonderforschungsbereich (SFB) 1244 untersucht die Fragestellung, wie angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und schrumpfender Ressourcen künftig mehr Wohnraum mit weniger Material geschaffen werden kann. Als Lösungsansatz wird der Einsatz adaptiver Elemente in tragenden Strukturen, Hüllsystemen und Innenausbauten erforscht. Adaptive Elemente ermöglichen es, das statische Verhalten von Gebäuden in ein dynamisches zu überführen, sodass Tragwerke und Gebäudehüllen in Wechselwirkung mit einwirkenden Belastungen aus ihrer Umwelt stehen. Diese Belastungen können beispielsweise aus Windlasten, Erdbeben, Nutzlasten oder Temperaturschwankungen resultieren.
Um dieses Ziel zu erfüllen, werden Kompetenzen aus den Disziplinen Architektur, Bauingenieurswesen, Maschinenbau, Flugzeugbau und der Informatik zusammengeführt.
Motivation
Das Bauschaffen steht weltweit für ca. 60 % des Ressourcenverbrauchs, ca. 50 % des Massenmüllaufkommens sowie für jeweils ca. 35 % des Energieverbrauchs und der Emissionen. Mit dem Hintergrund, dass zwei Milliarden der derzeit 7,4 Milliarden Menschen auf der Erde jünger als 16 Jahre sind, dürften diese Zahlen zukünftig noch steigen. Allein die Schaffung von Wohnungen, Arbeitsplätzen und Infrastrukturen für diese Bevölkerungsgruppe erfordert es, in den kommenden 16 Jahren den gesamten im Jahr 1930 weltweit vorhandenen Baubestand zu verdoppeln. Die Errichtung eines so großen Bauvolumens in so kurzer Zeit ist mit herkömmlichen Methoden nicht ohne gravierende Konsequenzen für unseren Planeten zu leisten. Daher sind dringend neue Ansätze gefragt, die es erlauben, mehr mit weniger Material zu bauen und das verbaute Material auch wieder voll in natürliche oder technische Stoffkreisläufe zurückzuführen.
Als Lösungsansatz erforscht der SFB 1244 den Einsatz adaptiver Elemente in tragenden Strukturen, Hüllsystemen und Innenausbauten. Solche Elemente ermöglichen es, die strukturellen und die bauphysikalischen Eigenschaften von Materialien und Bauteilen gezielt zu verändern, sodass sich diese immer optimal an unterschiedliche Belastungen anpassen. Dies hat gleich mehrere Vorteile: Tragende Strukturen können mit weniger Material- und Energieeinsatz hergestellt werden. Im Bereich der Gebäudehülle fördern adaptive Elemente die Energieeffizienz und führen zu einer deutlich verbesserten Aufenthaltsqualität in den Gebäuden, was eine wichtige Voraussetzung für eine Steigerung des körperlichen und geistigen Wohlbefindens der Nutzer ist. Neben den statisch-konstruktiven und den bauphysikalisch relevanten Auswirkungen und Chancen eröffnet die Integration von adaptiven Elementen zudem einen erweiterten Entwurfs- und Gestaltungsspielraum für die Architektur.
Als Vorarbeit wurde in den letzten Jahren an der Universität Stuttgart das weltweit erste adaptive Schalentragwerk „Stuttgart SmartShell“ errichtet (Bild 1). Die nur 4 cm dicke Holzschale weist eine überspannte Fläche von mehr als 100 m² auf. Realisiert wird die Adaptivität mit Hydraulikzylindern sowie einer Echtzeitregelung, die gemessene Spannungsspitzen im Tragwerk durch Verschiebungen an drei Auflagern reduziert.
Teilprojekte am IKTD
In Kooperation mit dem Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) beteiligt sich das IKTD an zwei interdisziplinären Teilprojekten:
- Teilprojekt A01: Entwicklung von Planungs-, Entwurfs- und Konstruktionsmethoden für adaptive Bauwerke
- Teilprojekt C02: Integrierte Fluidaktoren
Teilprojekt A01
Im Vergleich zu konventionellen Gebäuden nimmt der Planungsaufwand bei adaptiven Gebäuden wesentlich zu, da bestehende Planungsaufgaben grundlegend erweitert und mit den hinzukommenden Disziplinen neue Herausforderungen bei der Planung zu bewältigen sind. Im Teilprojekt A01 werden daher ein neuer Planungsprozess und Methoden für die Planung adaptiver Bauwerke erforscht. Im Vordergrund steht die Sicherstellung der engen interdisziplinären Kopplung von Planungs- und Entwurfsaspekten aus den Bereichen Architektur, Bauingenieurswesen und dem Maschinenbau. Gleichzeitig sind in der zu entwickelnden methodischen Unterstützung die Anforderungen aus allen Lebenszyklusphasen adaptiver Bauwerke zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse des Teilprojekts fließen in die Planung eines mehrstöckigen adaptiven Demonstrator-Hochhauses ein, das seit Oktober 2018 auf dem Campus der Universität Stuttgart errichtet wird (Bild 2).
Weitere Infos zum Teilprojekt A01 sind auf der Homepage des SFB 1244 zu finden.
Weiterführende Links
Teilprojekt C02 „Integrierte Fluidaktoren“
Website des SFB 1244: https://www.sfb1244.uni-stuttgart.de/index.html