Formalisierte Wissensrepräsentation zur Unterstützung des methodischen Konstruierens von und mit hybriden intelligenten Konstruktionselementen und Systemen

Forschungsbereich Methodische Produktentwicklung

Projekt abgeschlossen.

Das Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design (IKTD) ist mit dem Teilprojekt A1 "Formalisierte Wissensrepräsentation zur Unterstützung des methodischen Konstruierens von und mit hybriden intelligenten Konstruktionselementen und Systemen" an der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschergruppe 981 Hybride Intelligente KonstruktionsElemente (FOR 981 HIKE) beteiligt (zum Gesamtprojekt).

Zukünftig werden aufgrund der heute hochdynamischen Produktentwicklung im Maschinen-, Fahrzeug- und Flugzeugbau oder im Bauwesen Konstruktionselemente mit neuen, höherwertigen Funktionalitäten und Eigenschaften benötigt, um marktspezifischen Anforderungen wie integrierter erweiterter Funktionalität, Energieverbrauch, Leichtbau, Recycling und sonstigem technischen Mehrwert entsprechend Rechnung tragen zu können. Dazu werden konstruktive „Grundbausteine“ mit weitgehender eigener Intelligenz benötigt, um neue, fortschrittliche und höherwertig integrierte Produkte zu ermöglichen. Insbesondere die Aspekte der Nachhaltigkeit werden bisher z. B. im Bauwesen kaum in ganzheitlichem Umfang realisiert.

Die besondere Forschungsaufgabe der Forschergruppe bezieht sich auf Hybride Intelligente Konstruktionselemente „HIKE“. Durch den Verbund von sieben Hochschulinstituten aus den Fachbereichen Bauingenieurwesen, Luft- und Raumfahrtechnik, Konstruktions-, Produktions-, Fahrzeug- bzw. Textil- und Verfahrenstechnik wird der wissenschaftliche Ansatz verfolgt, systematisch neuartige Konstruktionselemente zu entwickeln, die funktionale, wirtschaftliche und innovative Anforderungen erfüllen und sich deutlich von den klassischen Konstruktionselementen abheben. Solche im Vergleich zu heute deutlich erhöhte Funktionalitäten einzelner, für ihren Einsatzbereich konzipierter Konstruktionselemente können nur durch neuartige Konstruktions- und Dimensionierungsmethoden erzielt werden, die die Integration von Werkstoffen sowie den Grundlagen der Mess- und Informationstechnik zu einem sehr frühen Entwurfszeitpunkt vorsehen. Der Aufbau der Forschergruppe ist in die Bereiche Grundlagen- und Anwendungsforschung geteilt mit einer engen Verzahnung und Abstimmung der Einzelprojekte.

Zielsetzung des Teilprojekts A1

In der zweiten Förderphase soll die Wissensstrukturierung und -verarbeitung im Rahmen des TP A1 fortgeführt werden. Hierfür wird das Wissen über das Konstruieren von HIKE und mit HIKE in Kooperation mit den anderen beteiligten Disziplinen untersucht. Die HIKE werden analysiert anhand des konstruktionsmethodischen Merkmals-Eigenschafts-Ansatzes (CPM-/PDD-Ansatz nach Weber) sowie das Wissen über sie in einer Informations-/Wissensbasis gespeichert. Diese Wissensbasis wird dynamisch durch die Forschungstätigkeiten in den Teilprojekten erweitert. Daher sind eine einfache Erweiterbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Rechnerverarbeitbarkeit des Wissens notwendig. Aufbauend auf einer geeigneten Wissensrepräsentationsform werden anschließend in enger Zusammenarbeit mit den an der FOR 981 beteiligten Disziplinen Gestaltungsrichtlinien für das Konstruieren neuer HIKE sowie für das Konstruieren mit den HIKE erarbeitet. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Forschungsarbeiten besteht in den Untersuchungen der Entwicklungstätigkeiten (Definition eines Entwicklungsprozesses) mit dem Ziel der nachträglichen Definition einer Entwicklungsmethodik für das Konstruieren „von“ HIKE erarbeitet. Zugleich wird zur Formulierung eines Sicherheitskonzepts für HIKE beigetragen. Dies unterstützt die Serientauglichkeit, indem die Erkenntnisse in die praktische Anwendung übertragen werden können.

Teilziele sind dabei insbesondere:

  • Erarbeiten einer fundierten Informations-/Wissensbasis der HIKE und des Demonstrators der Forschergruppe auf Basis des CPM-/PDD-Ansatzes nach Weber
  • Erarbeiten von Gestaltungsrichtlinien für HIKE
  • Erarbeiten eines Entwicklungsprozesses für das Konstruieren „von“ HIKE

Diese Teilziele betreffen mit Ausnahme des Referenzentwicklungsprozesses zwei wesentliche Bereiche konstruktiver Tätigkeiten im Rahmen der HIKE-Forschergruppe:

  • Das Konstruieren „von“ HIKE: Entwicklung der HIKE in den Teilprojekten
  • Das Konstruieren „mit“ HIKE: Konstruktion des Demonstrators und Einsatz der HIKE im Demonstrator

Bild 1 fasst die Ziele des TP A1 zusammen.

Bild 1: Ziele des TP A1
Bild 1: Ziele des TP A1

HIKE aus konstruktionswissenschaftlicher Sicht

Klassische Konstruktionselemente wie Wellen, Schrauben oder Lager sind mechanische Tragstrukturen. Sie übertragen statisch und dynamisch Kräfte und Momente. Das Konzept der hybriden intelligenten Konstruktionselemente wird durch Kombinationen gebildet, die sowohl die mechanische Tragstruktur als auch Sensoren und Aktoren umfassen können. Im Idealfall vereinigt ein HIKE alle drei Bestandteile. Ergänzend wird eine Regelung oder Steuerung benötigt. Sie wird durch eigenständige Hard- und Software verwirklicht. HIKE unterscheiden sich somit von klassischen Konstruktionselementen dadurch, dass die Bestandteile Sensor, Aktor und mechanische Tragstruktur in einem Konstruktionselement, d. h. auf Elementebene, vereint wird. Sie stehen dem Konstrukteur als ein Bauteil zur Verfügung. Es müssen nicht mehr einzelne Komponenten erst zu einem Teilsystem vergleichbarer Funktionalität zusammengestellt werden.

Bild 2 zeigt die Zusammensetzung von HIKE aus den Komponenten Sensor, Aktor und mechanische Tragstruktur.

Bild 2: Zusammensetzung von HIKE aus den Komponenten Sensor, Aktor und mechanische Tragstruktur
Bild 2: Zusammensetzung von HIKE aus den Komponenten Sensor, Aktor und mechanische Tragstruktur

Wesentliche Ergebnisse des Teilprojekts A1

Im Rahmen der Forschungstätigkeiten konnte eine Informations-/Wissensbasis für die Arbeiten der Forschergruppe entwickelt werden. Hierfür wurde auf Basis einer Internetdatenbankanwendung eine Datenbank ausgewählt, die Informationen gemäß des CPM strukturiert und eine Bedienungsoberfläche entwickelt. Durch den Ansatz der Internetdatenbankanwendung ist ein Multi-User-Zugriff auf das System von verteilten Standorten möglich, sodass die wesentlichen Anforderungen heutiger Entwicklungstätigkeiten erfüllt werden. Darüber hinaus unterstützt das entwickelte System bei der Untersuchung der Auswirkung von Produktänderungen innerhalb der HIKE als auch für übergeordnete technische Systeme in denen die HIKE verbaut sind. Für die Unterstützung der multidisziplinären Entwicklung wurde darüber hinaus eine Anpassung der Visualisierung entwickelt, d. h. dass die Entwickler Zugriff auf die Informationen in einer für sie bekannten Visualisierungsform besitzen (z. B. Konstruktionskataloge oder Blockschaltbilder).

Hinsichtlich der Definition von Gestaltungsrichtlinien wurden in Form von Interviews die wesentlichen Erkenntnisse und Erfahrungen der HIKE-Entwickler erhoben und formalisiert. Durch die Formalisierung in Form von Grenzwerten, Gut-Schlecht-Beispielen und Gleichungen wird eine Überprüfung der Gestaltungsrichtlinien bei aktuellen Konstruktionen ermöglicht wie sie bspw. durch das Softwareagentensystem ProKon erfolgen kann. Im Rahmen der Arbeiten wurden dabei ca. 100 Gestaltungsrichtlinien gesammelt, formalisiert, durch Gut-Schlecht-Beispiele grafisch aufbereitet und im Rahmen der Forschergruppe evaluiert.

Im Rahmen der dritten wesentlichen Tätigkeit wurde basierend auf den Grundlagen des Prozessmanagements die einzelnen Entwicklungsprozesse der HIKE erhoben. Darauf aufbauend konnte ein „Generischer Entwicklungsprozess“ abgeleitet werden, der die Ist-Situation der Entwicklung verallgemeinert beschreibt. Dabei wurden die Erkenntnisse der HIKE-Entwickler hinsichtlich vorgeschlagener Verbesserungen eingearbeitet sowie weitere Optimierungen und Erweiterungen vorgenommen. Der so erarbeitete Generische Entwicklungsprozess umfasst mehr als 150 Aktivitäten (Prozessschritte) und Entscheidungen, beinhaltet mögliche Iterationen und gibt hierfür mögliche Rücksprünge an. Der Prozess konnte im Rahmen eines dreistufigen Vorgehens ebenfalls im Rahmen der Forschungstätigkeit evaluiert werden. Darauf aufbauend muss dieser Generische Entwicklungsprozess noch zu einer vollständigen Entwicklungsmethodik erweitert werden.

Die wesentlichen Ergebnisse der Forschergruppe 981 unter Einbeziehung der Ergebnisse des TP A1 wurden am 10.11.2015 im Rahmen eines öffentlichen Kolloquiums in den Räumen des Instituts für Umformtechnik (IFU) der Universität Stuttgart präsentiert. Als Gäste durften dabei Vertreter aus Forschung und Industrie begrüßt werden. Während des Kolloquiums wurden die wesentlichen Ergebnisse in Form von Fachvorträgen präsentiert sowie anschließend im Rahmen einer Ausstellung bzw. Vorführung der Funktionsmuster und Demonstratoren diskutiert.

Danksagung

Die Mitglieder der Forschergruppe bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Unterstützung der Forschergruppe 981 (Hybride Intelligente Konstruktionselemente, HIKE).

Veröffentlichungen

Posner, B. ; Keller, A. ; Binz, H. ; Roth, D.: Anforderungen an eine Methode zum leichtbaugerechten Konstruieren. In: Stelzer, R.; Grote, K.-H.; Brökel, K.; Rieg, F.; Feldhusen, J. (Hrsg.): Entwerfen Entwickeln Erleben – Methoden und Werkzeuge in der Produktentwicklung. Dresden, 2012, S. 537-548
Posner, B. ; Keller, A. ; Binz, H. ; Roth, D.: Holistic lightweight design for function and mass: A framework for the Function Fass Analysis. In: Andreasen, M. M.; Birkhofer, H.; Lindemann, U.; Culley, S.; Marjanovic, D. (Hrsg.): 12th International Design Conference 2012 (DESIGN 2012). Dubrovnik, 2012, S. 1071-1080
Keller, A. ; Roth, D. ; Binz, H.: Training product product development methods in a Workshop setting deploying higher education didactics. International conference on engineering and product design education. In: Proceedings of the 14th International Conference on Engineering and Product Design Education (E&PDE 12) : Design Education for Future Wellbeing. Antwerpen, 2012. - ISBN 9781904670360
Keller, A.: Requirements on Procedures in Engineering Design. Bericht Nr. 604 des Instituts für Konstruktionstechnik und Technisches Design der Universität Stuttgart, 2012
Keller, A. ; Binz, H.: Hybride intelligente Konstruktionselemente - Konstruktion und Einsatz in adaptiven Systemen. In: Spath, D.; Binz, H.; Bertsche, B. (Hrsg.): Engineering - Eine Herausforderung für die Zukunft. Stuttgarter Symposium für Produktentwicklung 2011. Stuttgart: Fraunhofer, 2011, S. 59-60&CD. - ISBN 978-3-8396-0348-2
Keller, A. ; Binz, H.: Definition und Abgrenzung hybrider, intelligenter Konstruktionselemente. Bericht Nr. 597 des Instituts für Konstruktionstechnik und Technisches Design der Universität Stuttgart, 2011
Binz, H. ; Keller, A. ; Kratzer, M. ; Messerle, M. ; Roth, D.: Increasing Effectiveness and Efficiency of Product Development - A Challenge for Design Methodologies and Knowledge Management. In: Birkhofer, H. (Hrsg.): The Future of Design Methodology. Berlin: Springer, 2011, S. 79-90. - ISBN 978-0-85729-614-6
Keller, A. ; Binz, H.: Methodisch-wissenschaftliche Anforderungen für die Gestaltung von Entwicklungsprozessen in interdisziplinären Forscher- und Entwicklergruppen. In: Brökel, K.; Feldhusen, J.; Grote, K.-H.; Rieg, F.; Stelzer, R. (Hrsg.), KT2010 – 8. Gemeinsames Kolloquium Konstruktionstechnik. 7.-8.10.2011. docupoint Verlag, Barlebsen. Magdeburg, 2010, S. 13-18. - ISBN 978-3-86912-040-0
Keller, A. ; Binz, H.: Anforderungen an Konstruktionsmethodiken. In: Binz, H. (Hrsg.): Zukunft der globalen Produktentwicklung. Tagungsband zur Jahrestagung des Berliner Kreises. 13. und 14.11.2009. Stuttgart: IKTD Bericht Nr. 572, Universität Stuttgart. Ulm, 2009, S. 201-214. - ISBN 978-3-922823-72-8
Keller, A. ; Binz, H.: Requirements on engineering design methodologies. In: Norell Bergendahl, M. et al. (Hrsg.) Proceedings of the International Conference on Engineering Design 2009, Volume 2, Design Theory and Research Methodology, 24.-27.08.2009, Stanford University, Stanford, California, USA. Glasgow: Design Society, Vol 58-2, 2009. Stanford, CA/USA, 2009, S. 203-214. - ISBN 978-1904670063

Die Gesamtliste der Veröffentlichungen der Forschergruppe finden sie hier (zur Veröffentlichungsliste).

Ansprechpartner

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Daniel Roth

Dr.-Ing.

Leiter Finanzen und Verwaltung;
Stlv. Leiter Konstruktionstechnik;
Gruppenleiter Methodische Produktentwicklung

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